Es war schön gewesen, viertausend Kilometer Egotrip- Dreiecksfahrt in neun Tagen, mit den Stationen Berlin - Leipzig - Zürich - Köln - Heerlen(NL) - Leipzig - Berlin.
Die zweite Tagesetappe von Leipzig nach Zürich war mit achthundert Kilometern zu weit, ich war physisch am Anschlag. Aber dann die Belohnung: abends durch den Schwarzwald kacheln bei sechs Grad, mit Windchill gefühlte zehn Grad kälter, die Hände an den Zylindern, fröstel, "noch hundertzwanzig Kilometer". Dann Abfahrt nach Schaffhausen, über die Grenze und durch die Schweizer Tunnels. Und Ankunft in Zürich Schlag Mitternacht bei milden dreiundzwanzig Grad. Wie die Landung auf einem anderen Planeten! Herrlich.
Immer die Gasgriff- Feststellschraube rein (gut, dass ich die kurz vorher noch bestellt und rangeworfen habe, so kann man auch mal die rechte Hand entspannen), und gib ihr. Der Verbrauch hat sich so bei sechseinhalb Litern Super Plus eingependelt, und halben Liter Öl auf Tausend, das ist voll ok.
Ohne Scheibe, mit dem Lenker, halte ich dauerhaft nicht mehr Winddruck als Tempo 120/130 aus, aber alle Viertelstunde kann man ja mal am Gas drehen, damits nicht langweilig wird.
Es war wie verwunschen: ich hatte die ganze Zeit nicht einen einzigen Tropfen Regen. Kein Stau, keine Grenz- oder Bullenkontrollen. Nur zweimal geblitzt, ich hoffe von vorne.
Andere Leute geben ihren Mopeds Namen. Find ich ja irgendwie peinlich. Genauso bei Autos. Bei mir/uns hat sich die Konversation beschränkt auf Zurufe wie Halt durch, Schlampe, Fahr, du Dreckshure, und aufmunternde Tritte gegen die Zylinder.
Ansonsten hab ich manchmal Beatles gesungen, oder Lieder aus Big Lebowski. Einmal auch Tainted Love und The Bottle. Keine Ahnung wieso, was besseres fiel mir halt nicht ein! Also, eigentlich hab ich alles gesungen, wovon mir der Text so ungefähr einfällt. Gut, das ist jetzt nicht weniger peinlich.
Aber hey, es gibt halt nur Windgeräusche, von Walkman oder Radio wäre nur voll aufgedreht überhaupt etwas hörbar. Ausserdem drohen immer mal seltsame Geräusche bei so einem Teilehaufen, die sind schwer genug rauszuhören, und ich würde sie ungern verpassen wollen.
Zwischen Zürich und Köln hat sich der rechte Blinker aus dem Lenkerende desintegriert. Einfach mal klammheimlich den polnischen Abgang gemacht. Er hatte schon seit geraumer Zeit so gewackelt, als wollte er nun langsam gehen, die Halterung war bereits seit Wochen vernuddelt. Was solls, rechter Blinker, man kann gut ohne.
In Köln dann, oh Schreck: total verölte Felge und öliger Reifen hinten rechts. Ich hatte mich schon gewundert, bei Rechtskurven wars immer so rutschig, als wäre die Strasse klitschnass...
Der Kardan war undicht. Darf er ruhig sein nach vierzig Jahren. Mein Mechaniker am Telefon, "Scheiße, die einzige Baugruppe, die wir nicht wirklich überarbeitet haben. Prüfe dies und jenes, dann kannst du weiterfahren. Und dann brauchst du folgende Teile."
Bei einem Händler in der Nähe von Köln die genannten Simmeringe und Dichtungen geholt, 35 Euro, und in Vadderns verwaister Kellerwerkstatt sechs Stunden mit dem sexy Thema Kardanantrieb beschäftigt. Internet und Alt- BMW- Forum waren sehr hilfreich. Auf wundersame Weise isses seitdem dicht. Basteln Mit Wonne.
Unterwegs hab ich mir eine schwarze Dainese- Protektoren- Kombi zugelegt (sieht nicht allzu schlimm aus), und einen superleisen, sündhaft teuren, silbernen Schuberth C3. Leben und Gesundheit war mir den Tausender wert, den ich mir für das Zeug aus den mageren Rippen schneiden musste.
Was ein geiler Helm! Der leiseste Helm auf dem Markt, oder so. Was für eine Erlösung. Ausserdem hergestellt in Magdeburg. Kein Vergleich zu meinem alten höllisch lauten 80er- Jahre- Ding, selbst mit Ohropax- Schaumstoff- Gaffaband- Schafwollmützen- Kombination drunter.
Die alten Klamotten habe ich mir als Paket nach Hause geschickt. Das waren 15 (fünfzehn!) Kilo: Radlerhose, lange Thermo- Unterhose, zwei Jeans übereinander, Regenhose, und obenrum: T-Shirt, zwei Wollpullover, gefütterte Strickjacke, Fleece- Jacke, dicke Carrhart- Jacke, olle Lederjacke.
Was ein Aufwand, damit mal schnell lullern zu gehen. Alles ersetzt durch eine einzige Goretex- Kombi: ein Reißverschluss senkrecht an der Jacke, und einer rundum für Hose und Jacke aneinander zu machen.
Wen auch immer ich vorher unterwegs traf, man schlug die Hände überm Kopf zusammen angesichts meines bekleidungsmäßigen "Equipments". Ich wurde auch belächelt für das Lammfell zum drauf sitzen, aber das erwies sich als unverzichtbar auf der harten Norton- Sitzbank. Unterm Fell waren noch zwei Lagen zurechtgeschnittener, weicher Yoga- Matte. Tja.
Aber wer sind sie, diese kichernden Leute mit ihren langweiligen, neuen Reise- Enduros und ihrem Ausrüstungsgelaber.
Aber wer bin ich, der da ja irgendwie dran teilnimmt, darf ich mich irgendwie darüber erheben? Eben.
Ansonsten trägt man mit son Fahrzeug schon zum mobilen Entertainment bei. Die Autos winken rüber, Daumen hoch und so.
Richtig coole Leute getroffen. Einen Kollegen mit dem Nachfolgemodell von 1976, der damit 800.000 Kilometer gefahren ist, "bisher." Er fährt die 1000er Zylinder mit angeblichen fünf Litern: das glaub ich kaum.
Und dann so Vögel in Leipzig, ich stand am Straßenrand und hab telefoniert, da schlich so ein hinten hochgebockter Ford Granada in popelgrün vorbei. Wendete, wartete. Und zwei Typen kommen auf mich zu, ich so "wisst ihr, wo der Lindenauer Markt ist", die so, "nee, oaber wir wollden uns ma deine Kiste ankuckn, isch foahr ja ooch son R80 Scrambler", und so weiter, blabla. Ganz dufte, die Jungs.
Ja, so wars gewesen. Genug Mofa gefahren für diese Saison. Vielleicht noch England, aber ich wollte bei dieser ersten Tour seit zwanzig Jahren das Schicksal nicht überfordern.
Was nervt, ist dieses akribische Ein- und Ausgepacke, die Sortiererei, Gepäckab- und Dranmacherei. Zu zweit fahren, das wäre eine völlig andere Nummer, beladungs- und belastungsmäßig. Zu zweit machen wir mal schön weiterhin mit anderen Verkehrsmitteln Urlaub.
Dazu hab ich auch zuviele gequält guckende Ehefrauen auf dem Sozia- Sitz gesehen, so nach dem Motto, "meinem Mann machts Spaß, ich mache mit". Liebe, Loyalität und Leidensfähigkeit einer Frau muss mann nicht mit sowas prüfen.