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esc16.March ego - illebitch

leer

am sonntag hab ich für meinen großvater gekocht. eigentlich kann er für sich selber sorgen, meine mutter ist da allerdings anderer meinung. ich war sozusagen vertretung für sie. meine großeltern sind mitte letzten jahres nach jena gezogen um näher beim rest der familie zu sein. im oktober ist ganz überraschend meine großmutter verstorben. eigentlich war mein großvater eher das sorgenkind. nun ist er mit 80 und nach 53 (!!!) ehe jahren allein. ich hatte nie ein besonders enges verhältnis zu ihm. es waren halt meine großeltern, zu denen man als kind in den ferien fährt und die man später dann nur zu weihnachten sieht. mehr war da nicht. ich weiß nur ganz schemenhaft, dass sie aus schlesien vertrieben wurden und mein großvater in kriegsgefangenschaft sass. deswegen mag er auch keinen geräuscherten lachs, weil es den im lager immer gab. das ist aber auch schon das einzigste detail. der besuch war sehr beklemmend. irgendwann ist erzählt, was er so macht, was vor dem haus gebaut wird und wie schön das wetter dann doch ist. ich würde gerne mehr aus seinem leben wissen, zumal er zeitzeuge einer periode der weltgeschichte ist, die mich sehr interessiert. das ist allerdings nicht so einfach, da ich nicht alten wunden aufreissen will. am ende will er aber genau das, also nicht wunden aufreißen, sondern einfach erzählen. was soll bei ihm noch kommen?... was? ich werd aufjedenfall mal schauen, was es so für angebote für senioren in seiner umgebung gibt. auch wenn ich nicht wirklich glaube, dass ich ihn dafür begeistern kann, weil er nicht wirklich der gesellige typ ist. aber ein versuch ist´s allemal wert. mal schaun, wenn ich den sonntag nicht allzu schnell aus meinem gedächtnis gedrängt habe, werde ich wohl alle 2-3 wochen mal bei ihm vorbeischaun. (sie können, werte antvillegemeinde, mich ruhig immermal dran erinnern, das machts leichter) naja, bin ich dann ziemlich trübsinnig nach 2 stunden wieder ohne ziel von dannen gezogen und hab mich den restlichen tag ziemlich scheiße gefühlt. während mein großvater noch meiner oma auf dem friedhof einen kleinen besuch abgestattete und später den kopfhörer (damit sich keiner beschweren kann) auggesetzt hat und fern sah, hab ich mich versucht mit einem rotwein wieder etwas in eine andere mood zu bringen. das is mir nicht wirklich gelungen. ganz beschissen geschlafen hab ich auch. dann bin ich aufgewacht und war ziemlich gut gelaunt, da ich besuch aus erfurt erwartete. wir wollten eigentlich baden gehen, was aber aus finanziellen gründen ins wasser viel (wie paradox). dann wollten wir ins museum, die haben montag aber leider zu. also flux wein geholt und den rest des tages musikkonsumierend und wild tanzend zu hause verbracht. hat spass gemacht auch wenn alles sehr merkwürdig war. ich versuchs mal zu umschreiben: das is wie mit angezogener handbremse fahren oder auch auf etwas warten, was schonmal da war, aber irgendwie nicht wieder kommen will. es hat mich auf jedenfall einer menge illusionen beraubt, die ich doch so liebgewonnen hatte. und jetzt habe ich ein gefühl, dass ich beim besten willen nicht beschreiben kann. leer triffts wahrscheinlich noch ehesten. aber wie muss sich dann erst mein großvater fühlen?

author: ille - topic: ego
 

mv - March 16, 2004 at 8:23:58 PM CET
 

sehr berührend. als ich damals begann, meine oma nicht nur als quelle von angenehm unpädagogischer zuwendung, zwanzigmarkscheinen und selbstgemachtem butterkuchen, sondern auch als, wie sagt man, zeitzeugin interessant zu finden, habe ich einige male versucht, die unterhaltung in richtung historisches interview zu lenken. ist aber nie weit gediehen, sie war schon sehr alt, und sich selbst gewissermassen als geschichtlichen gegenstand zu betrachten, dazu war sie wohl ohnehin nie der mensch gewesen. wahrscheinlich habe ich auch nicht gescheit genug gefragt. wenn ich sie jetzt noch besuchen könnte, würde ich vielleicht mit ihr was essen gehen oder zusammen einkaufen und kochen, weil das den meisten menschen freude macht und sich ein gespräch dabei leichter entwickelt, aber für so einfache sachen war ich damals zu dumm. deshalb blieb's dann dabei, wie das wetter ist, was die nachbarn tun und dass die menschen so schlecht sind, die in den nachrichten kommen. naja.

 

ille - March 17, 2004 at 12:29:51 PM CET
 

ja, das ist schon sehr schwierig. man kann ja nicht einfach mit der tür ins haus fallen. vieleicht ist die periode für die meisten großmütter und väter abgehackt. schlechte zeiten versucht man ja immer schnell zu verdrängen. hin hören sollte man auch und mal versuchen über die üblichen floskeln drüber raus zu gehen. überhaupt mal rausfinden wie es dem großvater wirklich hinter der fassade geht. das ist aber leichter gesagt als getan. selbst bei menschen meiner generation fällt mir das oft schwer.

 

fabe - March 17, 2004 at 12:46:08 PM CET
 

ich fürchte fast---


bei meiner oma isses dafür zu spät. dabei wollte die das, ich hatte ihr mal 'nen diktiergerät besorgt, schon vor jahren, damit sie ihre "memories" aufsprechen kann, wie sie das nennt. dann hatte ich die idee, weil sie damit nicht klarkam und das dann bei mir landete, sie da quasi bei zu unterstützen... also hingehen, mit rekorder dabei und an ein paar nachmittagen wenigstens mal die eckdaten einfach auf ein tonband tun. hab ich aber nie gemacht. jetzt wird sie langsam sehr tüdelig, und ich weiss nicht ob das noch sinn macht.

chance verpasst?

--vielleicht versuch ich das nochmal--

 

ille - March 17, 2004 at 2:02:27 PM CET
 

mir fällt dazu immer olle udo lindenberg mit DIE KINDER DEINER KINDER ein:

Die Kinder Deiner Kinder kennen Deinen Namen schon nicht mehr sie kennen nicht mal mehr Deinen Namen

 
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